61% mangels Tatnachweis eingestellt

Von 197 Anzeigen zum 176-176b StGB in den Jahren 2014 – 2016 (Verbindung + Abgabe schon abgezogen) bei der Staatsanwaltschaft Bremen (ohne BHV)

wurden 165 Verfahren eingestellt (84%),

davon 121 nach §170IIStPO (61% mangels Tatnachweis)

In 38 Verfahren (ca. 19%) wurde Anklage erhoben –

4 Strafbefehle erfolgten (2%)

Es braucht dringend Verlaufsstudien zum 176-176b StGB und 184b-e bzw. zu allen Sexualstraftatbeständen wenn die betroffenen Opfer Kinder und Jugendliche sind.

Quelle: Ergebnisse aus der Antwort auf die Große Anfrage der CDU Drucksache 19/1184 Bremische Bürgerschaft 15.08.17

Kein Einzelfall

Seit Wochen wird über den Fall aus Freiburg, die jahrelange sexuelle Gewalt und Folter an einem Jungen, die Mittäter_innen und Täter_innen, das Versagen der Behörden diskutiert. Zu recht. Denn es muß sich grundlegend etwas ändern. Sexualisierte Gewalt ist eines der sichersten Verbrechen und wird auch strafrechtlich häufig als Bagatelldelikt behandelt. Gerade auch der Konsum von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen wird in den meisten Fällen nur mit Geld- und Bewährungsstrafen geahndet.

Ebenso ein aktueller Fall aus Gangelt und vor dem Aachener Landgericht:
Ein 39jähriger Vater, Patrick B., der bereits wegen sexualisierter Gewalt an seiner 2jährigen Nichte zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, bekommt nach seiner frühzeitigen Entlassung einen Sohn und missbraucht diesen – bietet ihn über das Internet an.

Quelle Aaachener Nachrichten: „Die Verlesung der Anklage durch Staatsanwältin Deborah Hartmann bestätigte schlimmste Befürchtungen. Demnach soll Patrick B. seinen zur Tatzeit erst zweijährigen Sohn im Haus in Gangelt meist früh abends vor dem Zubettgehen mal auf dem Wickeltisch, aber auch im Wohnzimmer der Familie auf brutalste Art und Weise vergewaltigt haben – immer auf Anweisung seines dänischen Chatpartners. Im vergangenen Sommer soll der Mann aus Dänemark sogar nach Gangelt gereist sein, wo die beiden Männer das Kleinkind laut Anklagte dann gemeinsam vergewaltigten.“

Für mich stellt sich die Frage, warum wurde Patrick B. frühzeitig und auf Bewährung entlassen wurde, nachdem er zwischen 2007 und 2009 seine Nichte sexuell missbraucht haben soll, das Mädchen war damals ebenfalls erst höchstens zwei Jahre alt, und zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.

Gemeinsam mit dem Betroffenenrat fordere ich nun schon seit Jahren eine grundlegende Evaluation aller Strafverfahren bei sexualisierter Gewalt. Wie wird Recht gesprochen und ausgelegt? Warum kann einem Vater z.B. – wie in Bremen 2014 geschehen, der über 6 Jahre seinen Sohn sexuell missbraucht und vergewaltigt hat eine zweijährige Bewährungsstrafe als Deal angeboten, wenn er gesteht?

Renate Bühn

Ähnliches geschieht tausendfach

Einzelfall und gesellschaftlicher Zusammenhang:
Der Freiburger Missbrauchsskandal und seine Folgen.
Artikel im tagesspiegel von Caroline Fetscher / 23.01.2018

Am erstaunlichsten ist das Erstaunen erstens darüber, dass eine Mutter Mittäterin sein kann. Denn das ist Realität. Am erstaunlichsten ist das Erstaunen, zweitens darüber, dass Kinder im Netz angeboten werden. Millionenfach werden Missbrauchsvideos konsumiert. Allein die Anzahl der in Deutschland polizeilich erfassten Fälle von Besitz und Verschaffung solcher Videos beläuft sich auf rund 4000 pro Jahr. Das Interpol-System ICSE zur Identifizierung von Kindern auf Videos, die sexuelle Gewalt darstellen stellte bis Januar 2017 die Identität von über 10 000 kindlichen Opfern fest. Tausende anderer sind unidentifiziert.

 

Versagt der Staat beim Schutz?

Bei dem Fall in Staufen im Breisgau, hat ein Gericht offenkundig die kriminelle Energie der Mutter und ihres Lebensgefährten unterschätzt. Müssen Juristen besser geschult werden? Brauchen die Jugendämter mehr Personal? Und reichen die Gesetze aus, um Kinder vor Missbrauch zu schützen?
SWR – Es diskutieren: Prof. Dr. Sabine Andresen – Erziehungswissenschaftlerin, Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, Frankfurt, Dr. Alexander Stevens – Fachanwalt für Sexualstrafrecht, München, Prof. Dr. Helge Thiemann – Dipl.-Psych., Fachpsychologe für Rechtspsychologie, Bochum

Verfahrensfehler des OLG Karlsruhe?
Der Frankfurter Familienrechtsexperte Ludwig Salgo hat im SWR Aktuell-Interview dem Karlsruher Oberlandesgericht (OLG) im Staufener Missbrauchsfall gravierende Verfahrensfehler vorgeworfen. Quelle: swr.de / 20.01.2018

Bereits im März 2016 erhält die Staatsanwaltschaft Kenntnis davon, dass der Haupttäter unter dem Namen „Geiler Daddy“ im Darknet Videos konsumiert, die sexuelle Handlungen unter Kindern und sexualisierte Gewalt durch Erwachsene zeigen. Es dauert jedoch ein Jahr bis die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift erstellt. Erst dann erfolgt eine Anzeige wegen Verstoß der Führungsaufsicht. Polizei und Jugendamt handeln, das Familiengericht jedoch hebt die Fremdunterbringung des Jungen wieder auf.  zum Bericht: www.spiegel.tv

Dringender Handlungsbedarf: Bessere Ausstattung der Polizei und Staatsanwaltschaften, max. 6 Monate bis zur Anklageschrifterstellung, Qualifizierung aller an Verfahren beteiligter Berufsstände: Polizei, Staatsanwaltschaft, Richter*innen

 

Einstellung trotz „hinreichenden Verdacht“

Missbrauchs-Vorwurf: Boxverband bremst Aufklärung aus, Hausverbot für Unterstützer*innen
„Ich habe immer geboxt, seit ich acht Jahre alt war. Boxen war mein Leben. Heute betrete ich keine Boxhalle mehr“, sagt die einstige deutsche Jugend-Meisterin (2011), die inzwischen 23 Jahre alt ist. In Schwerin traf sie auf den Landestrainer, Christian M., den sie nach Jahren des Schweigens angezeigt hat. Die junge Boxerin erzählt von einer Turnierreise nach Schweden im Jahr 2011, bei welcher der Landestrainer sie und eine andere Boxerin mit auf sein Hotelzimmer genommen und massiert habe.“Als ich mich danach verabschieden wollte, packte er mich an der Schulter und stieß mich nach hinten aufs Bett“, erzählt sie. „Ich habe gesagt: Nein! Ich gehe zurück auf mein Zimmer. Er hat dann meinen BH und seine Hose ausgezogen und über mir onaniert. Ich konnte nichts tun. Habe einfach weggeschaut.“ Es sei nicht der einzige Vorfall gewesen, schildert sie: 2012 habe Christian M. sie mit nach Polen genommen. „Der Lehrgang war ein falscher Vorwand. Ich musste ein Hotelzimmer mit ihm teilen. Da ahnte ich schon warum und hatte Angst. Stellte mich abends sofort schlafend. Irgendwann legte er sich hinter mich, zog meine Hose aus und schlief mit mir, ich wollte das nicht. Aber ich konnte nichts tun.“….
Christian M. wird suspendiert.  Trotz damals noch laufender strafrechtlicher Ermittlungen hob jedoch der neue Vorstand des Hamburger Amateur-Boxverbandes (HABV) die Suspendierung von Christian M. auf – quasi als eine erste Amtshandlung.

Es fehlen die Sanktionsmöglichkeiten, solange es keine Verurteilung gibt. „Wir sprechen Empfehlungen aus und die werden übernommen oder nicht. Mehr können wir im Sport nicht tun. Das ist Verbandsrecht“, sagt Conny Sonsmann von der Hamburger Sportjugend. „Wir sind darauf angewiesen, dass das Strafrecht klarere Vorgaben macht.“

Im August 2017 wurden die Ermittlungen gegen Christian M. eingestellt, obwohl die Staatsanwaltschaft in Schwerin einen „hinreichenden Verdacht“ für einen sexuellen Kontakt zwischen der jungen Boxerin und dem Trainer Christian M. für gegeben ansieht. Weil sie aber zum Zeitpunkt der Vorfälle über 16 Jahre alt war, wäre der Trainer strafrechtlich nur dann zu belangen, wenn sie ihm nachweisen könnte, dass er seine Machtposition ausgenutzt hat.

ÄH… absolut nicht nachvolziehbar… Was muß die betroffene junge Frau noch nachweisen… die Ausnutzung der Machtposition ist doch glasklar…

Nele Rades-Walther und Frank Rieth hatten sich fast ein Jahr für die Einhaltung der Leitlinien eingesetzt. Sie haben mittlerweile Hausverbot im Hamburger Boxverband. Der Grund: Verbandsschädigendes Verhalten. Die Ex-Boxerin hat Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens eingereicht. Es ist somit noch nicht abgeschlossen. Der Beschuldigte ist bis heute weiter aktiv. Zwar ruhen seine Trainerlizenzen, doch als Teamleiter fährt er wieder mit Jugendlichen zu Wettkämpfen.

70 Tagessätze zu 70 Euro für den Besitz von 576 Abbildungen und 47 Videos

von sexualisierter Gewaltdarstellungen mit Kindern für einen Polizisten.
Quelle: rp-online.de / 18.01.2018

Leider der übliche Umgang bei Konsum und Besitz von sogenannter „Kinderpornografie“. Nur in wenigen Fällen wird ein Täter nach §184b-d StGB zu einer Haftstrafe verurteil. Der Konsum und der Besitz von Abbildungen und Videos von sexualisierter Gewaltdarstellungen mit Kindern und Jugendlichen ist der Nährboden für das Ausmaß und die Brutalität der Gewalt weltweit und wird strafrechtlich im Strafmaß als Bagatelldelikt behandelt:

70 Tagessätze x 70 € = 4.900 € : 623 Abbildungen+Videos = 8 € Geldstrafe pro Bild oder Video von sexuellen Gewaltdarstellungen und Übergriffen an Kindern und Jugendlichen